Das Sprachkonzept leichte sprache

Leichte Sprache ist ein Instrument der barrierefreien Kommunikation. Sie ist besonders verständlich. Man kann sie schreiben und sprechen.
Leichte Sprache weist als eigenständiges Sprachkonzept des Deutschen eine reduzierte Grammatik auf. Sprache wird auf der Wort-, Satz- und Textebene vereinfacht und reduziert. Komplexe Satzstrukturen werden aufgelöst, auf Formulierungen im Passiv, Konjunktiv weitgehend verzichtet. Fach- und Fremdwörter werden ersetzt oder erklärt.

Die Texte sind klar gegliedert durch Haupt- und Zwischenüberschriften sowie durch kurze Textabschnitte. Jeder Satz fängt mit einer neuen Zeile an. Die Schrift ist größer als normal und sollte gut lesbar sein. Zusätzlich unterstützen Bilder oder Fotos das Verstehen.
Für die Qualitätssicherung Leichter Sprache Texte gibt es verschiedene Möglichkeiten: die Verständlichkeitsprüfung durch VertreterInnen der Zielgruppen, verschiedene Prüftools zur Verständlichkeit von Texten und das Vier-Augen-Prinzip.

Zielgruppen

Die Zielgruppe für Leichte Sprache sind Menschen mit kognitiven Behinderungen. Das betrifft Menschen mit Lernschwierigkeiten und geistigen Behinderungen. Dazu gehören auch Menschen mit Demenz oder Aphasie sowie Menschen, die von prälingualer Gehörlosigkeit betroffen sind.
Leichte Sprache eignet sich auch für Menschen, deren Lese- und Schreibfähigkeit stark eingeschränkt ist. Das betrifft funktionale AnalphabetInnen und Menschen mit geringen Deutschkenntnissen.
Alle diese Gruppen haben Probleme, allgemein- und fachsprachliche Texte sprachlich und inhaltlich zu verstehen. Dadurch ist ihr Zugang zu Informationen eingeschränkt.

Hintergrund

Das Konzept der Leichten Sprache wurde für und gemeinsam mit Menschen mit Lernschwierigkeiten entwickelt. Inzwischen sind Leichte und Einfache Sprache im Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) und in der Barrierefreie- Informations-Technikverordnung (BITV 2.0 auf Grundlage des BGG § 12) verankert. Besonders Bundesbehörden sind aufgefordert, Informationen und Bescheide in Leichter/Einfacher Sprache bereitzustellen und zu erklären.

Webseiten und mobile Anwendungen von Bundesbehörden müssen seit 2019 (BITV 2.0) barrierefrei gestaltet sein.

Unterscheidung
leichte Sprache – Leichte Sprache plus – Einfache Sprache

Leichte und Einfache Sprache sind zwei eigenständige Sprachkonzepte und für unterschiedliche Zielgruppen gedacht. Sie unterscheiden sich in der Verwendung der grammatikalischen Mittel und der Textgestaltung.

Leichte Sprache weist ein eher festes Regelwerk auf.
In der Einfachen Sprache ist der Einsatz sprachlicher Mittel flexibler und umfänglicher.
Zwischen Leichter Sprache und Einfacher Sprache ist die Leichte Sprache plus angesiedelt (Einteilung nach Forschungsstelle Leichte Sprache, Uni Hildesheim).
Der Übergang zwischen den drei Sprachstufen ist fließend

Für Leichte und Einfache Sprache sind verbindliche Normen (DIN-Spec 33429 und ISO 24495) in der Abstimmung. Leichte und Einfache Sprache werden international als easy-to-read und plain language bezeichnet.

Übersetzen, übertragen oder neu texten?

Die Übertragung eines Standardtextes in Leichte Sprache hat diesen Fokus: Die bewusste Auswahl von Textinhalten, um die wesentlichen Inhalte des Standardtextes abzubilden bei höchstmöglicher Kohärenz.
Das erfordert häufig eine völlige Neugestaltung des Textes hinsichtlich der Abfolge von Informationen und der sprachlichen Gestaltung. Das Übersetzen in Leichter Sprache setzt Fachwissen, Sachverstand und viel Recherchearbeit voraus. Ebenso ist ein ethischer Aspekt zu beachten, denn ÜbersetzerInnen entscheiden: Welche Informationen fließen in den Text ein und in welcher Form?

Dolmetschen

Das Dolmetschen in Leichte und Einfache Sprache erfolgt zumeist als Simultandolmetschen.
Es ist auch die Form des Konsekutiv- oder Flüsterdolmetschen möglich oder der Einsatz einer Verstehens-Assistenz. Thematisch werden viele Bereiche bedient: Inklusion, Kultur, Recht, Politik, Medizin. Eine fachliche Spezialisierung im Bereich Dolmetschen erscheint sinnvoll.
Das Dolmetschen in Leichte Sprache erfolgt häufig nur auf Anfrage durch die AdressatInnen für Leichte oder Einfache Sprache Diese Möglichkeit der Teilhabe ist vielen AdressatInnen für Leichte Sprache noch unbekannt.

Ausbildung zum Übersetzen und Dolmetschen in Leichte Sprache

In Deutschland gibt es für Leichte Sprache verschiedene Schulen mit eigenen Regelwerken und Gütesiegeln.

Forschungsstelle Leichte Sprache, Universität Hildesheim
Die Forschungsstelle bietet deutschlandweit den ersten Masterstudiengang „Barrierefreie Kommunikation“ an. Zu dieser Ausbildung gehört auch Leichte und Einfache Sprache. Der Zugang zur Leichten und Einfachen Sprache erfolgt vor allem aus wissenschaftlicher Sicht. Prüfgruppen werden nicht als zwingend erforderlich angesehen. Die Verständlichkeit von Texten wird überprüft durch FachkollegInnen und/oder durch das Verständlichkeits-Prüftool Text Lab, das mit dem Hohenheimer Index arbeitet.
Das Gütesiegel der Forschungsstelle nennt sich: „Leichte Sprache wissenschaftlich geprüft“.

Netzwerk Leichte Sprache e. V.
Das Netzwerk gibt es seit 2006, seit 2013 ist es ein Verein. In diesem Netzwerk arbeiten ÜbersetzerInnen, PrüferInnen, WissenschaftlerInnen und PolitikerInnen zusammen an der Weiterentwicklung der Leichten Sprache in Deutschland und auch international. Die Regeln für Leichte Sprache werden gemeinsam mit Menschen mit Lernschwierigkeiten entwickelt. Der Grundsatz ist dabei, die Prüfung von Leichter Sprache Texten erfolgt durch die Zielgruppe. Das Gütesiegel heißt: „Netzwerk Leichte Sprache“.

capito
capito ist ein Social-Franchise-Netzwerk für barrierefreie Information.
Der Hauptsitz ist in Graz (Österreich). capito arbeitet mit dem eigenen Kriterienkatalog „Leicht Lesen“. Die Ausbildung bei capito ist TÜV-zertifiziert und umfasst den Bereich der Leichten und Einfachen Sprache. Eine Verständlichkeitsprüfung durch verschiedene Zielgruppen ist ebenfalls verbindlich. capito arbeitet mit dem selbst entwickelten und KI basierten Prüf- und Übersetzungstool capito digital. Das TÜV-zertifizierte Gütesiegel „Leicht Lesen“ gibt es für drei Sprachstufen, A1, A2 und B2. Diese sind an den GER (Gemeinsame Europäische Referenzrahmen für Sprachenlernen) angelehnt.

Für den Bereich Dolmetschen in Leichte/Einfache Sprache gibt es noch keine allgemein verbindlichen Standards. Eine Qualifikation kann bisher nur in Form einer Weiterbildung erworben werden. Der ADÜ Nord hat eine Liste mit entsprechenden Ausbildungsstätten zusammengestellt.

Berufsmöglichkeiten und Zusatzqualifikationen

Für ÜbersetzerInnen bieten sich vielfältige berufliche Möglichkeiten:

  • Übersetzen im Bereich der konzeptuellen sowie medialen Aufbereitung von Informationsmaterial allgemein- und fachsprachlicher Prägung für verschiedene Zielgruppen
  • Sprachmittlung für verschiedene Zielgruppen, u.a.:
    Tätigkeiten in Übersetzungsbüros für Leichte Sprache, in Ministerien, im Kontext von Schule und Weiterbildung, in Behörden, Organisationen und Museen sowie in Unternehmen und Einrichtungen der Gesundheitspflege
  • selbständige oder freiberufliche Tätigkeit im Bereich der Barrierefreien Kommunikation
  • Übersetzungsarbeit im interlingualen Bereich,
    z.B. easy-to-read in deutsche Leichte Sprache und umgekehrt
  • Weiterbildung als DolmetscherIn für Leichte und Einfache Sprache

Sprachmittlerinnen für Leichte und Einfache Sprache im ADÜ Nord

Als überregionaler Fachverband mit transparenten Strukturen setzen wir uns für eine barrierefreie Kommunikation ein und möchten ÜbersetzerInnen und DolmetscherInnen für Leichte und Einfache Sprache sowie Studierenden im ADÜ Nord ein verbandliches „Zuhause” bieten.
Hier finden Sie fachliche Angebote und die Vorteile der Mitgliedschaft.

Wie werden Sie Mitglied im ADÜ Nord?

ÜbersetzerInnen und DolmetscherInnen mit einer qualifizierten Ausbildung für die Leichte Sprache, aber auch Studierende des Masterstudiengangs „Barrierefreie Kommunikation“ der Uni Hildesheim können die Mitgliedschaft im ADÜ Nord beantragen.

Voraussetzungen für das Übersetzen:

  • ein Studium oder eine staatliche oder staatlich anerkannte Prüfung im Fachbereich Übersetzen sowie eine umfassende Leichte-Sprache-Weiterbildung
  • ein Studium im Bereich Germanistik, Journalistik, Medien, Kommunikation oder ein vergleichbares Studium sowie eine umfassende Leichte-Sprache-Weiterbildung
  • eine Berufsausbildung zzgl. Berufserfahrung im sozialen Bereich oder ein Studium im sozialen Bereich sowie eine umfassende Leichte-Sprache-Weiterbildung
  • ein einschlägiges Studium, das alle Bereiche zu Leichter Sprache beinhaltet

Voraussetzungen für das Dolmetschen:

  • eine der o.g. Qualifikationen für Leichte/Einfache Sprache sowie eine Zusatzausbildung als DolmetscherIn für Leichte/Einfache Sprache
  • ein Studium oder eine qualifizierte Ausbildung im Bereich interlinguales Dolmetschen sowie eine umfassende Leichte Sprache-Weiterbildung oder Zusatzausbildung für das Dolmetschen in Leichte Sprache
  • ein einschlägiges Studium, das alle Bereiche zu Leichter Sprache beinhaltet

Eine Liste von Ausbildungsstätten und Qualifizierungsmöglichkeiten für Übersetzen und Dolmetschen in Leichte Sprache kann hier heruntergeladen werden.

Eine Einzelfallprüfung (sogenannte Sonderfälle) erfolgt bei diesen Nachweisen:

  • vergleichbare fachliche Qualifikation im Bereich Leichte Sprache:
    zum Beispiel mehrere Fortbildungen, Kompaktkurse etc. im Bereich Leichte Sprache sowie
  • eine mehrjährige Berufserfahrung im Bereich Leichte Sprache
  • Textprobe (1-2 Seiten) in Leichter und/oder Einfacher Sprache mit Originaltext
  • Referenzen von verschiedenen AuftraggeberInnen

Wenn Sie Interesse an einer Mitgliedschaft haben, melden Sie sich bitte bei der Beauftragten für Leichte und Einfache Sprache des ADÜ Nord, Barbara Reindl.

Neuigkeiten

+++ DIN Pressemitteilung +++
Verständliche Texte für alle: ISO veröffentlicht erste Norm für Einfache Sprache. Die Internationale Organisation für Normung (ISO) hat den ersten Standard für Einfache Sprache verabschiedet. Die Norm schafft einen Leitfaden für RedakteurInnen, BehördenmitarbeiterInnen und Kommunikationsfachleute, wie verständliche Texte gelingen. Weiterlesen

Weiterführende Links

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