aus dem Uni-Magazin des FTSK Germersheim vom 16. Juni 2020

Meist wird Konferenzdolmetschen als die höchste Disziplin der Translation angesehen. Das würde ich auch niemals bestreiten. Doch wie sieht es mit dem bilateralen Dolmetschen in Institutionen aus? Sprich das Dolmetschen im Krankenhaus, bei der Polizei, beim Arbeitsamt, beim Psychologen, in sozialen Einrichtungen, bei Schwangerschaftskonfliktberatungen – die Liste ist schier unendlich. Nun, oft wird angenommen, dass diese Form des Dolmetschens von jedem ausgeübt werden kann, der mindestens zwei Sprachen spricht. Ob er diese nun auch perfekt beherrscht, das sei mal dahingestellt. Denn zum einen interessiert es die Angestellten der vielen verschiedenen Institutionen nicht, ob der Laiendolmetscher beide Sprachen auch wirklich ausreichend beherrscht. Zum anderen aber liegt es daran, dass die Überbrückung der Sprachbarriere in Deutschland „Sache der Migranten“ ist, wie Frau Dr. Bahadir das mal so schön formuliert hat. Dass die Leidtragenden in den meisten Fällen Familienmitglieder und in den schlimmsten Fällen Kinder sind, das scheint keinen oder nur die wenigsten zu interessieren. Und dass bilaterales Dolmetschen weit mehr ist, als Inhalte von einer Sprache in die andere zu übertragen, das sollte spätestens bei der oben genannten Aufzählung jedem klar sein. Wer schon einmal in Institutionen gedolmetscht hat, weiß, dass man neutral und empathisch zu gleich sein sollte, dass man Verständnis zeigen sollte, aber keine Partei ergreifen darf. Während man als Konferenzdolmetscher in seiner kleinen geschützten Kabine sitzt, ist man als Dolmetscher in Institutionen direkt am Geschehen beteiligt und wird nicht nur als Dolmetscher, sondern als Kulturversteher, Kulturerklärer, Gesprächspartner und oft als Argumentationswaffe genutzt.

weiterlesen